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Marien - Die Sandstein-Platten an der Kirchen-Wand

Die Grabplatten - Blick von Westen her

An der Nordmauer der Pfarrkirche stehen 5 Platten aus Kalkstein. Ob es sich um Grab- oder Erinnerungs-Platten handelt, ließ sich bisher nicht eindeutig bestimmen. Hier wird jedenfalls vier Männern und einer Frau gedacht, die - mit Ausnahme von Pastor Stöcker (1738) - in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gestorben sind. Zu dieser Zeit residierte der Hof des Grafen zu Stolberg-Wernigerode zum Teil in Ilsenburg. Sicher ist, dass diese Platten erst nach einer baulichen Umgestaltung auf einem Sockel an der Mauer angebracht wurden. Das war wahrscheinlich um 1730 oder 1835, den Jahren von größeren Umbauten am Kirchenschiff.  

 

Über das Leben von drei der fünf Verstorbenen können deutlich mehr Informationen präsentiert werden, als über Stockers und Schierstedt. Das liegt daran, dass der verdiente Ilsenburger Forscher Hans Riefenstahl in den 1980er Jahre zu den Dreien nachrecherchiert und die Erkenntnisse in einer Ausarbeitung festgehalten hat.  

 

Hier nicht mehr vorhanden sind vier Grabplatten in Sargdeckelform, die ihren Platz auch an der Außenwand der Marienkirche hatten. Im Sie wurden aus denkmalsschützerischen Gründen umgelagert und haben heute im Kloster ihren Platz Gegensatz zu den an der Mauer lehnenden Platten handelt es sich hier um Personen, die überwiegend im 18. Jahrhundert lebten. Zu bewundern sind die "Sargdeckel" unter: Umgelagerte Sarkophage

 

 

Steht mensch auf dem Weg, der durch den Friedhof geht, so sieht er/sie die Platte, die sich links neben dem Turm befindet kaum auf den ersten Blick, denn vor ihr thront der Engel, der zum Grab des Hüttenfaktors Eduard Schott gehört. Der interessierte Betrachter wird sich also näher an die Platte bewegen müssen. Doch auch da wird der Erkenntnisgewinn überschaubar sein. Es ist lediglich zu erfahren, dass der Mann, an den der Stein erinnert, Heinrich Christoph Stockers hieß. Ansonsten ist von dem ursprünglichen Relief nicht mehr viel zu erkennen. 

 

Also: Wer Zeit und Muße haben sollte, der widme sich dem Entschlüsseln dieser Platte! Vielleicht hilft ja diese Information: Einen Mann ähnliches Namens "Heinrich Christian Stöcker" bekleidete das Ilsenburger Pfarramt 1737-1738. Er starb bereits mit 31 Jahren. Aber das wäre dann alles ein dreiviertel Jahrhundert später als die anderen Steinplatten.

Sandstein-Platte für Heinrich Christoph Stockers
Platte Johann Schomburg

 

Der stattliche Mann mit den Stulpenstiefeln und dem Degen war Hüttenfaktor in Ilsenburg und Braunlage. Er hieß Johann Schomburg. Bis 1642 verwaltete er, dessen Geburtsdaten nicht bekannt sind, die Hütte Braunlage. Dann wurde er von der Kaiserlichen Besatzung angehalten, die darniederliegende Produktion von Kanonenkugeln und Schanzwerkzeugen hier im Ort wieder zu aktivieren. Auch als die Schweden und ihre Verbündeten wieder das Sagen hatten, blieb die Aufgabe, vor allem Kriegsmaterial herzustellen, bestehen. Schomburg verstand es offenbar, trotz aller Schwierigkeiten die gewünschten Güter in guter Qualität und Menge herzustellen. Er schien sich gut in seinem Amt zu halten.

 

Daneben war er auch - wie vor 1642 - zuständig für das Eisenwesen in Braunlage. Er muss auch dort zur Zufriedenheit des Grafen gearbeitet haben, denn 1648 wurde sein Pachtvertrag verlängert. Schomburg war als Faktor auch für die niedere Gerichtsbarkeit (bei Vergehen gegen Gesetz und Ordnung) bei seinen "Hüttenknechten" in der Pflicht. Verbrechen gegen Leib und Leben durfte er jedoch nicht verfolgen. Diese Funktion wurde allein durch die staatliche Gerichtsbarkeit wahrgenommen.

 

Wenig zu erfahren war über die Familie des Faktors. Bekannt ist seine Frau Petronella, die ihren Mann während seiner Krankheit vertrat und dies durchaus energisch tat. Zwar sind in dieser Zeit in den Kirchenbüchern Braunlages und Ilsenburgs Geburten von Jungen und Mädchen mit dem Namen Schomburg nachgewiesen, aber für eine eindeutige Zuordnung langen die weiteren Angaben nicht.  

 

Über seinen Tod gibt es unterschiedliche Erzählungen. Unstrittig ist das Todesdatum: 1653: Da ist er nachweislich begraben worden. 

 

Zum Einen gibt es Anhaltspunkte, dass Schomburg an Altersschwäche, die bereits 1651 als "Leibesschwäche" dokumentiert wurde und die ihn zum Rückzug von seinem Posten veranlasste, verschieden ist.   Die andere Erzählung nimmt auf die auf der Platte dargestellte Verletzung in Hüfthöhe bezug: Schomburg sei ein streitsüchtiger und brutaler Meister gewesen, der von einem seiner Schmiede während einer Auseinandersetzung lebensgefährlich verletzt worden ist  

 

   

 

Die nächste Platte in Richtung Osten, also nach links, ist der sehr große Sandstein, der zu Ehren von Lucretia Bodin, geborene Floss hergestellt wurde. Ihre Lebensdaten sind bekannt: 1609-1668. Also ist sie 58 Jahre alt geworden. 

 

In frühen Darstellungen ist der Name "Bodin" als "Bachen" gelesen worden: "Herrn Johann Bachen Witwe". Für diese Lesart sind bisher keine schlüssigen Belege gefunden worden.

 

1651 kam Lucretia Bodin aus Wernigerode nach Ilsenburg. In der Residenz des fürstlichen Geschlechts Stolberg-Wernigerode war sie Hofdame und Kinderfrau, ihr Mann Stadtvoigt.

 

In Wernigerode hat sie mehrere Kinder zur Welt gebracht. Der 1637 Geborene Johann Tobias Bodin erarbeitete sich verschiedene FÜhrungspositionen, In Wernigerode wurde er zum Rektor ernannt und 1678 zum Ortspfarrer in Ilsenburg. 1682 zog es ihn wieder zurück. Ab 1682 wurde er erster Pfarrer der Liebfrauen-Gemeinde, die bedeutender und einkömmlicher war als die Stelle in Ilsenburg. Dort starb er 1707. 

 

Nach dem Tod ihres Mannes 1648 fand L. Bodin im Schloss Ilsenburg wie einige ältere verwitwete Hofdamen ihren Alterssitz. Und sie hatte hier noch weit über zehn Jahre zu leben.

 

 

Lucretia Bodin, geb. Floss
Salomon Felber

 

Die nächste Platte in Richtung Osten, also nach links zeigt einen gelockten Mann mit einer Papierrolle. Die Kleidung zeigt einen besseren Stand an. Die Platte gilt in der Darstellung von Jacobs/ Berger als Epitaph. Der Mann wurde von den beiden Altmeistern der Harzer Geschichtsforschung als "Jüngling mit Locken" beschrieben. 

 

Hans Riefenstahl bekam dagegen heraus, dass es sich nicht um einen Jüngling, sondern einen gestandenen Mann handelte. Sein Name war Salomon Felber. Die Felbers waren ein altes Geschlecht in Ilsenburg, das sowohl Besitz als auch Einfluß besaß. Möglicherweise gehörten die Locken auf der Darstellung zu einer Perücke, die im Barock nicht unüblich war.

 

Salomon Felber hatte den Beruf eines Kupferschmiedes, war Meister in diesem Fach. Außerdem hatte er die Ilsenburger Kupferhütte erworben und leitete sie lange Zeit.  

 

Familiär war zu erfahren, dass er 1666 Catharina Gemmels aus Wernigerode heiratete und wahrscheinlich auch ein standesgemäßes Familienleben führte. 

 

Mit 57 Jahren, also 1687,  wurde Salomon Felber von dieser Welt, die er 1630 betreten hatte, abberufen. Bei der Trauerfeier - so die Überlieferung - wollten so viel Menschen von ihm Abschied nehmen, dass nicht alle in die Marienkirche passten und in die Schlosskirche ausweichen mussten.

 

Links neben der Tür auf der Höhe des Chores ist die Stelle, wo die Platte steht, die an Christoph von Schierstedt erinnert. D.h. dort steht sie zur Zeit eben gerade nicht, da die Einzelteile auf die Zusammenfügung, auf eine Resraurierung warten. Die hier abgebildete Fotografie stammt aus den 1970/80er Jahren.

 

Die Tafel selbst gibt nur preis, dass das Kind nur 5 Jahre alt wurde: 1662-1668. Und sein Name ist auch zu entzifferen. Der Nachname von Schierstedt weist auf ein Geschlecht aus dem sächsischen Uradel, das in Brandenburg einige seiner Güter hatte, hin. Sein Stammhaus aber lag bei Aschersleben.

 

Bleibt die Frage, warum das Kind hier in Ilsenburg gelebt hat und gestorben ist. Bisher bleiben die Quellen die Antwort noch schuldig...

 

 

Christoph von Schierstedt (5 Jahre)